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Beitrag vom 27.03.2013
Von Content-Mafia und Reputationsökonomie - UrheberInnenrecht 2.0 auf dem Prüfstand. Podiumsdiskussion zum Thema am 12. Juni 2013 in Berlin
AVIVA-Redaktion
Der sensiblen und kontroversen Problematik "Geistiges Eigentum und Urheberrecht im Internetzeitalter" widmeten sich die BücherFrauen e.V. in einer Podiumsdiskussion auf der Leipziger Buchmesse 2013.
Mit seinem aktuellen Jahresthema hat sich das Branchennetzwerk BücherFrauen e.V. für das Jahr 2013 einiges vorgenommen: diese komplexe Materie treibt derzeit die gesamte Branche um und ist konstitutiv für die Zukunft. Zur Auftaktveranstaltung, in der sich die BücherFrauen erstmals öffentlich mit dem Thema auseinandersetzten, lud Moderatorin Katharina Gerhardt drei hochkarätige Expertinnen zur Podiumsdiskussion nach Leipzig: Prof. Dr. Gabriele Beger, Direktorin der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg äußerte sich zur Interessenlage von VerwerterInnen, Bibliotheken, wissenschaftlichen und bildungsorientierten NutzerInnen, während Isabell Serauky, Berliner Anwältin für Medien- und UrheberInnenrecht, kompetent die Belange der UrheberInnen vertrat. Die dritte Fachfrau, Valie Djordjevic ist selbst Urheberin und Redakteurin bei iRights.info und äußerte sich differenziert und undogmatisch zur neuen "Kultur des Teilens" im Internet.
Katharina Gerhardt, freie Lektorin, Dozentin und Hamburger BücherFrau eröffnete die Diskussion mit einem Zitat aus dem 2012 bei Rowohlt erschienenen Buch von Kathrin Passig und Sascha Lobo "Internet. Segen oder Fluch": "Mit der Empörungsenergie der Einzeldiskussionen zum UrheberInnenrecht in Blogs, Foren und Kommentarspalten ließen sich die Polarkappen drei Winter lang eisfrei halten." Trotz dieser und etlicher anderer provokanter Thesen schaffte sie es an diesem Abend im Leipziger CCL nicht, die gleiche Empörungsenergie bei Podiumsteilnehmerinnen oder Publikum freizusetzen. Stattdessen verdeutlichten alle Redebeiträge, wie vielschichtig und kompliziert die Thematik ist, wie unterschiedlich die Interessen, die gegeneinander abgewogen und ausgeglichen werden müssen, und dass es in diesem Zusammenhang mit Sicherheit keine einfachen Lösungen geben kann.
UrheberInnen brauchen Einkommen
Isabell Serauky, die u.a. bei der IHK Berlin stellvertretende Vorsitzende der Einigungsstelle für Wettbewerbsstreitigkeiten ist, betonte, wie wichtig es sei, dass AutorInnen und andere UrheberInnen von ihrer Arbeit leben können. Es sei nicht in Ordnung, wenn Kreative durch hemmungsloses "copy & paste" um die Früchte ihrer Arbeit gebracht würden. An diesem Punkt konstatierte Valie Djordjevic, dass schon in Zeiten vor Internet und neuen Medien die meisten Kreativschaffenden nicht von ihren Honoraren leben konnten - trotz UrheberInnenrecht. Für diese "prekären" UrheberInnen stellten die digitalen Medien vielleicht sogar eine Chance dar, ihre Werke selbst zu publizieren und zu vermarkten. Aktuelles Beispiel für den Erfolg solcher Selbstvermarktung: die Romantrilogie "Fifty Shades of Grey", die im Internet als kostenlose Fan-Fiction ihren Anfang nahm. Prof. Dr. Beger unterstützte diese Auffassung und nannte weitere Beispiele aus der Musikbranche. Sie vertrat außerdem die Position, dass kein Werk im luftleeren Raum entstehen könne. "Jeder Kulturschaffende bezieht sich auf das, was vorher war, holt sich Anregungen und Inspiration von anderen." Dies sei so auch völlig in Ordnung: "Wenn jemand etwas schafft, dann soll er oder sie auch darüber bestimmen, was damit geschieht. Aber wenn ein Werk erstmal der Öffentlichkeit übergeben wurde, dann wird es automatisch zum Allgemeingut."
Rechtsbewusstsein und Fairness
In diesem Zusammenhang fiel schließlich das Stichwort "Reputationsökonomie". Auch sei die Nutzung und Verbreitung von Werken z.B. durch Fans häufig im Interesse der UrheberInnen oder auch der kommerziellen VerwerterInnen, da es sich hierbei um eine Art "Empfehlungsmarketing" bzw. "Mund-zu-Mund-Propaganda" handle. Die digitale Community reagiere jedoch durchaus sensibel, wenn es um echten Diebstahl geistigen Eigentums und die Unterschlagung von Quellenangaben geht, so Valie Djordjevic. "Und das gilt nicht nur für Doktorarbeiten!" wie Moderatorin Katharina Gerhardt zur allgemeinen Erheiterung einwarf. Als prominentes Beispiel wurde der Erstlingsroman von Helene Hegemann genannt, der vor einigen Jahren viel Staub aufwirbelte, als bekannt wurde, dass einige Passagen ohne Quellenangabe aus einem Blog übernommen worden waren.
Auch Fachanwältin Isabell Serauky versicherte, die meisten NutzerInnen hätten sehr wohl ein Unrechtsbewusstsein und keineswegs die Absicht, UrheberInnen bewusst zu schädigen oder auf kriminelle Weise um ihren Verdienst zu prellen. Außerdem vertrat sie die Ansicht, das bestehende UrheberInnenrecht sei durchaus nicht so reformbedürftig, wie oft behauptet werde. Viel wichtiger sei es, dass breiteres Rechtsbewusstsein geschaffen werde - dafür genüge meistens schon eine bessere Aufklärung und Information der NutzerInnen.
Sie betonte, dass insbesondere für die Nutzung im Bildungsbereich juristisch noch einiges zu regeln sei - es könne nicht angehen, dass Schulen und andere öffentliche Bildungseinrichtungen ihre Budgets mit der Finanzierung von Lizenzen überstrapazieren. Auch stellte sie in Frage, ob es wirklich notwendig sei, dass das geltende UrheberInnenrecht Werke bis zu siebzig Jahre nach Tod des Urhebers/der Urheberin schützt. Hier sei eine Reform weitaus sinnvoller als in manch anderen Bereichen.
Praxisorientierter Interessenausgleich
"Für Bibliotheken und Wissenschaftsbetrieb stellen die neuen Medien einen wahren Segen dar", so Bibliotheksdirektorin Gabriele Beger. "Archivierung, Verfügbarkeit, Auffindbarkeit - alles ist einfacher dadurch geworden." Was hat sich durch "Lizenzen" geändert? Werke geistigen Eigentums werden dem/der NutzerIn/KäuferIn heute nicht mehr zwangsläufig physikalisch zur Verfügung gestellt, sondern häufig regelt lediglich ein Link den Zugang zum Werk. Was geschieht mit einer solchen Lizenz/Nutzungserlaubnis, wenn der/die NutzerIn beispielsweise sein/ihr Konto bei amazon.de schließt? Ist die Lizenz für immer weg und wenn ja, warum?
Am Ende der sachlichen und inhaltlich konstruktiven Debatte waren sich alle Podiumsteilnehmerinnen in dem Punkt einig, dass es keine leichte Aufgabe sein wird, im digitalen Zeitalter einen fairen Interessenausgleich zwischen UrheberInnen, VerwerterInnen und NutzerInnen herzustellen - sie alle haben ihre Funktion, ihren Nutzen und ihre Daseinsberechtigung.
Mehr zum Jahresthema "Geistiges Eigentum und UrheberInnenrecht im Internetzeitalter" gibt es auf der Jahrestagung der BücherFrauen in Hamburg, die vom 15. bis 17. November 2013 in der Bucerius Law School stattfindet, unter der Schirmherrschaft der Hamburger Senatorin für Justiz und Gleichstellung.
Am Mittwoch, 12. Juni 2013 findet eine Podiumsdiskussion zum Thema "UrheberInnenrecht im digitalen Zeitalter" am Jahrestag der BücherFrauen statt.
Einlass: 19 Uhr, Beginn: 20.30 Uhr
Veranstaltungsort: Grüner Salon, Volksbühne
Linienstraße 227
10178 Berlin
Weitere Informationen finden Sie unter www.buecherfrauen.de
Auch die Herausgeberin von AVIVA-Berlin, Sharon Adler, äußerte sich 2012 zum Thema "UrheberInnenrecht" und positionierte sich zu den zwölf Thesen der SPD-Fraktion, die offene Streitpunkte der Debatte behandeln. Das Interview finden Sie unter: www.spdfraktion.de.
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
Interview mit Valeska Henze, Politikwissenschaftlerin & Übersetzerin. 1. Vorsitzende der BücherFrauen e.V.
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(Quelle: BücherFrauen e.V.)